Rückblick auf das Schweden-Abenteuer

Den September und Oktober dieses durchaus ungewöhnlichen Corona-Jahres 2020 verbrachte unsere Offense Linerin Verena #57 nicht wie gewohnt mit dem Abschluss der (nicht vorhandenen) DBL Saison und dem Start ins Bochumer Wintertraining, sondern stattdessen mit dem Kampf um die schwedische Meisterschaft mit den Örebro Black Knights.

Da es in Schweden, anders als in Deutschland und den meisten anderen europäischen Ländern, in diesem Jahr eine richtige, wenn auch ein wenig verkürzte Footballsaison gab, wurde dort sowohl in den Herrenteams als auch zum ersten Mal verstärkt in den Frauenteams um internationalen Zuwachs geworben. So kam es, dass unsere Verena, zusammen mit weiteren Spielerinnen aus Hamburg, Köln, dem Algäu, Dänemark und Italien, die Örebro Black Knights unterstützte.

Die ersten zwei Artikel zu ihrem „Abenteuer“ findet Ihr hier über die Reise dorthin („Von Bochum nach Örebro, Schweden“) und ein erster Rückblick nach vier Wochen und zu Beginn der Playoffs („American Football in Schweden“).


Verena in der Innenstadt von Örebro (c) privat

Rückblickend bin ich wirklich froh, dieses Abenteuer gewagt zu haben. Als Anfang September ich über den QB der Amazon Pioneers aus der 1. DBL, die ich bereits von den Europe Warriors kannte, in Kontakt mit den Black Knights trat, war ich doch zunächst mehr als skeptisch.

War das wirklich ein ernstgemeintes Angebot? Könnte ich problemlos mein Home Office für fast zwei Monate nach Schweden verlagern? Und was sagt der Verband dazu, wenn ich plötzlich in der schwedischen Bundesliga spielen möchte?

Glücklicherweise liesen sich diese Fragen alle sehr schnell klären, ich beantragte eine International Trading Card für den Ligawechsel, kaufte noch eine wetterfestere Jacke, tankte mein Auto und schon ging es praktisch los in Richtung Norden.

Ganz fernab vom Football muss ich sagen, dass Schweden einfach ein wunderschönes Land ist. Da wir mit dem Auto den Landweg nahmen und auch außerhalb der Trainingszeiten die Zeit in Schweden für verschiedene Ausflüge nutzen, habe ich sehr viel wunderschöne Natur sehen können. Gefühlt ist es in Schweden zur jederzeit möglich, an einer beliebigen Stelle etwas außerhalb sein Auto abzustellen, ein paar hundert Meter in die Natur zu gehen und schon befindet man sich vor einer riesigen Lichtung, mit einem glasklaren See und einem unglaublichen Ausblick. Allein dies sind schon Erinnerungen, die ich auf keinen Fall missen möchte.

Kleinere oder auch größere Seen, wie diesen, findet man in Schweden gefühlt an jedem beliebigen kleinen Spazierweg (c) privat

Sportlich gesehen war mein „Schweden-Abenteuer“ natürlich auch eine unglaubliche Erfahrung. Nicht nur, dass ich hier das Leben als „Import Player“ ein wenig ausleben konnte, wie es sonst eigentlich nur bei größeren Herrenteams der Fall ist. Ich konnte auch noch einmal ein anderes (Offense-) Spielsystem kennenlernen, andere Trainingsmethoden (auch wenn ich Liniensprints zum Abschluss des Trainings sicherlich nicht vermissen werde) und damit auch den 11er Football für mich noch einmal ganz anders erproben. Gerade hier muss ich sagen, es macht einfach sehr viel Spaß mit fünf O-Linern plus Tight-End „die Line“ zu rocken. Das ist ein unglaubliches „WIR“ Gefühl.

Da das ganze etwas schwierig in Worte zu fassen ist, wenn man nicht selber gespielt hat, möchte ich gerne eine Antwort zitieren, die ich kurz vor dem Meisterschaftsspiel geben habe, als man mich für eine Pressemitteilung fragte, wieso ich so gerne Football und insbesondere in der Offense Line spiele:

(c) Jonas Domfros

Offensive Linemen always seem a bit different compared to the other positions in American Football.

You don’t catch a ball, you don’t tackle, and (most of the time) it is not you who will score the final points. And yet, no scrimmage play could start without somebody snapping the ball, somebody blocking. If you get out of the huddle as an O-Lineman, you don’t go out as a single person. You go out as a badass squad. Five people thinking about the same (blocking) scheme, willing to execute, ready to smash defensive players – all for the sake of their ballcarriers and for each other.

There is rarely an „I“ in the O-Line, that’s just not how it works. You need to think as one, play as one and finally win as one. You need to outsmart the opponent, know what you are capable of, know what the others are capable of and how to get the best combinations. Once you found this combination, you will share a special connection that enables you to fight tough games and overcome every opponent. This connection will stay even after the game is played.

Auch war es in Örebro für mich spannend zu erfahren, was Football für meine schwedischen Teamkameradinnen bedeutet und wie es sich auf ihr Alltägliches Leben auswirkt. Nicht selten habe ich nämlich, wenn ich abends oder am frühen morgen noch ein wenig Konditionstraining (da dies im deutschen Lockdown bei mir ein wenig gelitten hatte) im lokalen Fittnessstudio durchführte, dort noch eine Mitspielerin (oder auch Spieler aus dem Herrenteam) angetroffen, die noch eine zusätzliche Trainingseinheit einlegten.

Ich wurde von allen Mitspielerinnen sehr schnell willkommen geheißen und fühlte mich bald als „Black Knight“ auf der Mission zu Gold. Von der Mentalität für das Team und der Einstellung zum Sport konnte ich aus Örebro für mich ebenfalls noch einmal einiges mitnehmen und habe das Gefühl, noch fokussierter für den Sport zurück gekommen zu sein.

Was die Goldmedallie angeht, so hat es am Ende leider nicht ganz gereicht. Das Final-Spiel, was sich deutlich knapper anfühlte als es tatsächlich nacher auf dem Papier war, ging am Ende leider zugunsten der mit Britinnen verstärkten Carlstad Crusaders aus. Nichtsdestotrotz war es für mich persönlich ein gutes Spiel und ich bin bis auf wenige Spielzüge sehr zufrieden damit. Für die Black Knights und mit meinen Teamkameradinnen dort um die Schwedische Meisterschaft (SM-Gold) zu kämpfen, übertragen von AFI Review, war mir eine große Ehre und wird sicherlich eins meiner persönlichen Football Highlights bleiben.

Alles im allen bin ich sehr froh, dieses Abenteuer gewagt zu haben. Ich habe mein Ziel erreicht, mich während der Zeit nicht schlimmer zu verletzen (was mir meine Teamkolleginnen bei den Miners auch sehr eindringlich geraten hatten 😉 ), ich habe ganz großartige Menschen, nicht nur auf dem Platz sondern auch privat bei diversen Videomeetings, Theorieeinheiten und schwedischer „Fika“ (Kaffee und Kuchen) kennen lernen dürfen und viele Eindrücke von einem Land und seiner Bevölkerung erhalten, das ich ansonsten vermutlich erstmal nicht bereist hätte.

So war es auch kein Wunder, dass ich im Dezember diverse Weihnachts-Postkarten nicht nur zu meinem Team nach Bochum sondern auch zu meiner zweiten, schwedischen Football-Familie schickte und der Black Knight Song es nun u.a. neben Herbert Grönemayers geliebtem „Bochum“ auf meine Gameday-Playlist schaffte.

– Verena #57, Dezember 2020